Kürzere Klinikaufenthalte: Klingt gut, oder vielleicht doch nicht?

Klinikaufenthalt verkürzt, Sorgen verlängert: Der Preis der gesunkenen Verweildauer

Die Nachricht klingt auf den ersten Blick erfreulich, fast schon wie ein Effizienzsieg des Gesundheitssystems: Die Bundesregierung verkündete am 17. November 2025 in einer Pressemitteilung, dass die durchschnittliche Dauer eines Krankenhausaufenthalts im Jahr 2024 auf 7,1 Tage gesunken sei. Damit setzt sich, wie es in der Mitteilung heißt, der „langfristigen Trend zu kürzeren Verweildauern seit Beginn der Krankenhausstatistik im Jahr 1991 fort“. Damals lag der Wert noch bei stolzen 14,0 Tagen, heute ist er beinahe halbiert.

Eine beeindruckende Zahl.

Doch als medizinischer Journalist muss ich hier die Euphorie dämpfen und eine dringende, wenn auch unbequeme Frage stellen: Wer bezahlt am Ende die Zeche für diese ökonomisch motivierte „Effizienz“?

Die Realität, die hinter dieser Zahl steckt, ist ernüchternd: Eine Verkürzung der Liegezeiten in den Kliniken führt unweigerlich zu einer Verlagerung des Behandlungs- und Pflegeaufwands in den ambulanten Sektor – insbesondere in die häusliche Umgebung. Wenn Patienten im Schnitt nach nur 7,1 Tagen (und in den Hauptfächern wie Innere Medizin nach nur 5,2 Tagen) entlassen werden, ist die Wunde oft noch frisch, die Medikation noch nicht optimal eingestellt, die Genesung noch lange nicht abgeschlossen.

Dieses Modell der „ambulanten Nachsorge durch die Hintertür“ kann nur dann funktionieren, wenn der ambulante Sektor – sprich: Hausärzte, Fachärzte, ambulante Pflegedienste – über ausreichend Personal und Zeit verfügt, um die teils komplexen Nachbehandlungen nahtlos zu übernehmen. Hier liegt jedoch das Kernproblem: Die Ressourcen sind bereits jetzt am Anschlag. Überfüllte Praxen, lange Wartezeiten für Termine und eine chronische Überlastung der niedergelassenen Ärzte verhindern oft die notwendige, zeitintensive Betreuung, die ein frisch entlassener Patient benötigt. Die Lücke zwischen Klinikentlassung und adäquater hausärztlicher Versorgung wird so zu einem gefährlichen Vakuum.

Das System schafft sich selbst ein Dilemma: Es spart Kosten im teuren stationären Bereich, indem es Patienten schneller entlässt, erzeugt aber gleichzeitig einen nicht abfangbaren Mehraufwand im ambulanten Bereich. Dies führt oft zu suboptimalen Genesungsverläufen, vermeidbaren Komplikationen und im schlimmsten Fall zur kostenintensiven Wiederaufnahme in die Klinik.

Was ist die Lösung für Patienten und Angehörige?

Da die Politik offensichtlich diesen Engpass in der ambulanten Ressourcendecke ignoriert, liegt die Verantwortung und der Druck leider oft bei den Angehörigen und den Patienten selbst. Es ist unerlässlich, dass Betroffene und ihre Familienangehörigen im Krankenhausalltag aktiv und wachsam sind.

Fordern Sie absolute Klarheit: Patienten und Angehörige müssen darauf bestehen, dass medizinische Behandlungen in der Klinik als abgeschlossen gelten, bevor die Entlassung erfolgt. Lassen Sie sich nicht einfach mit unvollendeten Diagnosen oder noch zu klärenden Medikationsplänen in den Alltag zum Hausarzt „abschieben“.

Insbesondere bei den kurzen Verweildauern, die in der Pressemitteilung genannt werden (z. B. Innere Medizin mit 5,2 Tagen), ist kritische Nachfrage Pflicht. Nur die Fachbereiche, die per se eine längere Heilungszeit erfordern, wie die Geriatrie mit 15,1 Tagen oder die psychiatrischen Fachabteilungen mit Verweildauern zwischen 24,5 und 46,8 Tagen, bieten hier einen gewissen Puffer. Für die Masse der Behandlungsfälle gilt: Klinik ist für Behandlung, nicht für Stabilisierung.

Die gesunkene Verweildauer mag eine gute Statistik für die Gesundheitsökonomen sein, für die Patienten und ihre pflegenden Angehörigen ist sie jedoch eine wachsende Bürde. Es braucht endlich eine Strategie zur Stärkung der ambulanten ärztlichen Kapazitäten, die proportional zur Verkürzung der Liegezeiten ist. Alles andere ist eine Verlagerung des Problems auf Kosten der Gesundheit.

Doch als medizinischer Journalist muss ich hier die Kehrseite dieser Entwicklung beleuchten: Was auf dem Papier als Effizienzgewinn erscheint, geht in der Realität allzu oft zulasten der häuslichen Pflege und Behandlung der Patienten. Wer früher noch in der Klinik stabilisiert, therapiert und auf die Genesung vorbereitet wurde, wird heute früher entlassen.

Der Haken: Diese Verkürzung ist nur dann vertretbar, wenn die nachstationäre Versorgung – sei es durch ambulante Pflegedienste, spezialisierte Therapeuten oder den Hausarzt – nahtlos und mit ausreichenden Ressourcen funktioniert. Genau hier liegt das Problem. Die Allgemeinmedizin ist bereits am Limit. Es fehlt an Ärzten, Pflegepersonal und Zeit. Wer nach wenigen Tagen aus der Klinik entlassen wird – in Fachabteilungen wie der Inneren Medizin oder Chirurgie beträgt die Verweildauer sogar nur 5,2 bzw. 5,0 Tage –, hat oft noch einen komplexen Behandlungsbedarf, der nicht einfach auf den Schreibtisch des überlasteten Hausarztes verlagert werden darf.

Die Lösung liegt nicht in einer sturen Fixierung auf ökonomische Kennzahlen. Angehörige und Patienten müssen darauf achten und es aktiv einfordern, dass medizinische Behandlungen in der Klinik tatsächlich abgeschlossen und kritische Genesungsphasen überwacht sind, bevor eine Entlassung erfolgt. Es darf keine „Abschiebung“ in den oft chaotischen Alltag und zum überlasteten Hausarzt geben, weil die Klinik ihre Bettenkapazitäten freimachen muss. Erst wenn die ambulanten Strukturen gestärkt sind, kann die verkürzte Verweildauer ein echter Fortschritt sein. Bis dahin